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26 Oct 2014
Mit Gerbstoffen im Darm lebt es sich besser

[Achtung: das eigentliche Thema des Posts beginnt erst ab dem großgeschriebenen Satz. Ja, auf diesem Blog wird nicht nur Qualität großgeschrieben!]

Ich und Musik, Musik und ich, Musik, Musik, Musik, Ich + Ich.
Dies genüge als Einleitung. Alle haben irgendwelche Interessen (siehe z.B. im Freundealbum unter „Hobbies“), heute heißt man Nerd, wenn der Enthusiasmus oder die Kompetenz bzw. beides für ein Thema besonders groß ausfällt. So entstehen Kochnerds, Linuxnerds, Techniknerds und viele andere lustige Selbstbezeichnungen. Ich bin Musiknerd (und Essensfetischist, aber das tut hier nichts zur Sache). Diese Profession beinhaltet für mich vor allem, dass Musik mich sehr viel beschäftigt, Emotionen hervorrufen und beeinflussen kann und dass es Spleens in meinem Verhalten gibt, die daher rühren, dass mein Verhältnis zu Musik sehr anders ist als das der meisten Menschen. Denn wie die meisten Nerds neige ich zu teilweise radikalen Ansichten und durch die ständige Beschäftigung manifestieren sich Meinungen und Vorlieben, allerdings immer unter dem Grundprinzip, dass sich das auch schnell wieder ändern kann. Dennoch führt die starke Präsenz des Themas in meinem Denken und Handeln dazu, dass ich bestimmte Meinungen über und Zugänge zu Musik für mich selbst nicht mehr nachvollziehen kann, obschon mir klar ist, dass diese ebenso legitim sind wie meine eigenen. Andererseits glaube ich, dass die meisten Menschen Musik nicht so erleben können wie ich, was logisch und auch ok ist, aber manchmal auch schade.
SO ZUM BEISPIEL BEI EINEM KONZERT VOR EINIGEN MONATEN IN BERLIN. Äh. Ich war also in Berlin, um mir ein Konzert anzusehen. Ich selbst wohne ja nicht in Berlin, sondern in Berlinchen, wo es leider selten Konzerte gibt, obwohl unser Dorf dieses Jahr 740 wird (Hört, hört!). Das nur am Rande, jedenfalls spielten auf: Berlinska Dróha, eine Band, die ich seit ihrer Gründung kenne und mittlerweile 8 Mal live gesehen und eine unbekannte Anzahl von Malen via Tonträger gehört habe. Es handelt sich um zwei Menschen, die an Geige und Klavier, manchmal auch anderen Instrumenten, sorbischen Folk machen. Was sorbisch ist, erkläre ich jetzt hier nicht, es die Sprache einer westslawischen Minderheit, die in Teilen Sachsens und Brandenburgs angesiedelt ist und die mit dem heutigen Polnisch und Tschechisch verwandt ist. Auf dieser Sprache finden viele der Lieder von Berlinska Dróha statt. Das finde ich toll, es trägt aber relativ wenig zu meiner Überschwänglichkeit dieser Band gegenüber bei, die in manchen Momenten an Verehrung grenzt. Wichtiger ist für mich, dass diese Band in jeder Hinsicht die perfekte Gratwanderung schafft: Zwischen politischem und musikalischem Anspruch, zwischen Punk und Perfektionismus, zwischen ruhigenund weniger ruhigen Liedern, zwischen Professionalität und Sympathie, ja sogar zwischen Witz und Ernst, obwohl das im Grunde garnicht nötig ist, denn bei Berlinska Dróha stimmt einfach alles. Da ich absolut davon überzeugt bin, dass das Erleben von Musik so subjektiv ist, wie es nur sein kann, weiß ich natürlich, dass das niemandem weiterhelfen wird, aber es handelt sich ja um eine Art Review (!?), daher werde ich jetzt noch eine Zeit lang weiterschwärmen. Das Songwriting kann man eigentlich nur noch als gepfeffert bezeichnen, Gesang und Instrumentalspiel als angemessen großartig, das Konzert in der Gesamterfahrung als erbaulich to the max. Das schaffen wenige Bands, aber immerhin wenige und die Nische, in der die tatsächliche EINZIGartigkeit von Berlinska Dróha liegt, ist persönlicher Art und nun kommt unerwarteterweise die thematisch abschweifende Einleitung dieses Posts zum Tragen. Ich weiß nicht, wie es anderen Menschen geht, wenn sie Berlinska Dróha live sehen, aber wenn es ihnen nur ansatzweise so ginge wie mir, würde die Gesamtstimmung anders sein (ach was). Eine emotionale Achterbahn beschreibt das sehr unzureichend, vielleicht eher ein emotionalerPolyp (Wikipedia klingt hier sehr deutsch: „Beim Polyp handelt es sich um ein Rundfahrgeschäft.“ Meine Güte, es gibt also sogar virtuelle Stöcke im Arsch), jedenfalls erlebe ich regelmäßiger Gänsehaut als bei R.L.Stine persönlich. Und dann!, wenn Musik körperlich wird, wenn eine Anspannung entsteht, die jedesmal von einer bestimmten Stelle in einem bestimmten Lied erzeugt wird, wenn ein Bedürfnis zu tanzen nicht aus Höflichkeit oder Konvention entsteht, sondern ECHT ist, dann! weiß ich, dass ich Berlinska Dróha zusehe.

Kaum eine Band hätte einen Hype mehr verdient als Berlinska Dróha und ich bin für kaum etwas dankbarer als dafür, dass der bisher ausgeblieben ist.





Eine der Verlinkungen ist bewusst falsch gesetzt, denn manche Gags müssen einfach sein. Wer mir sagen kann, welche, oder wer das übergeordnete Thema der Berlin-Trilogie (Huch, was, dazu fehlt doch noch einer!) weiß, kontaktiere mich per Email. Unter allen richtigen Einsendungen werden verlost: Eine ordentliche Backpfeife (Adressat selbstgewählt), ein Kilogramm Ponponpon und eine Reise nach Nordkorea (ohne Rückflug und nur für Til Schweiger)

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