07 Jul 2016
Der Höhepunkt eines jeden Liedes ist die Dönerstrophe
Nach diversen (2,x) Jahren voller Blogtätigkeit ist es an der Zeit, eine Bilanz zu ziehen. Diese lautet: Grillmöbel ist ein voller Erfolg!! In sämtlichen Medien, sei es Springer-Presse oder weniger schlimmes, war Grillmöbel nie ein Thema – so muss das sein. Auch in der Tagespolitik, vor Gericht, in den einschlägigen Debatten unserer Zeit – kein Wort von Grillmöbel. Perfekt. So lässt sich optimistisch in die Zukunft blicken, die Grillmöbel-Lobby glänzt wohl weiterhin mit Abwesenheit Subversion. Und dann plötzlich dieser Text:
Weil sich die tätowierten unbefleckten Supereltern auf dem Spielplatz über Gehalt oder gar über Unterhalt unterhalten, entferne ich mich fahrradfahrend und babybepackt. An einer Stelle, wo auf die Straße eine große umrahmte „10“ gedruckt ist, überholt mich ein Automobil mit 80 (Sachen) und weniger cm Abstand, das Baby fliegt beinahe durch den Vorbeifahrtwind aus dem Kasirekordi Maxicosi für Bicycles. Dann fahre ich an der neuesten Bild-Schlagzeile vorbei: „Was der Anschlag für Touristen bedeutet“, es geht darum, dass in Istanbul irgendwelche IS-Volldeppen soundsoviele Menschen getötet haben, aber die eigentlichen Opfer natürlich die (lebendigen) deutschen Touristen sind, die jetzt nicht wissen, was sie mit ihrem Flugticket machen sollen. Gut, dass es Zeitungen gibt, wo man sowas nachlesen kann. Ansonsten wird vor allen Kneipen, in die sich sonst nur die Zierfischbörse verirrt, sich bereit gemacht für öffentliches Grölen, selbstredend der Fußballeuropaweltmeisterschaft der Männer geschuldet. Ja, selbst hier in Berlinchen gibt es öffentliche Grölversammlungen, auch wenn das irgendwie was von Leuten hat, die nur an Weihnachten und/oder Ostern in die Kirche gehen. Ich überfahre eine rote Ampel, direkt hinter mir fährt das Ordnungsamt, gut, dass die Ampel rot ist, da muss das Ordnungsamt (im Gegensatz zu mir) nämlich anhalten. Dementsprechend komme ich unbelangt an das Ziel, welches auch immer das nochmal war, darum geht es ja jetzt hier nicht, es geht darum, dass ich nun doch endlich Interesse an jener Sportgroßveranstaltung gefunden habe. Großdeutschland ist nämlich, wie mir durch fehlende Urschreie gewahr wurde, am heutigen Tage aus diesem Dümmlichkeitswettbewerb ausgeschieden, und das auch noch im Duell mit dem Franzosen. Schadenfreude und Gehässigkeit sind ohnehin so ziemlich die einzigen positiven Gefühle, die einem Menschen meines Schlages zuteil werden, daher blühe ich auf wie selten, bei der Lektüre der Online-Ticker, der Archive dieser Niederlage. Es ist großartig: Wird bis etwa zur 60. Minute die ganze Zeit nur in einer vor komischen Fuballunfugsfloskeln triefenden Sprache alles gelobt, was die (wohl) deutschen Spieler tun („Özil dreht sich herrlich, passt auf Hector, doch dessen flache Hereingabe wird problemlos entschärft“), spricht im Folgenden immer mehr die Verzweiflung aus den Tickereinträgen: „Nicht das auch noch! Boateng muss vom Feld!“ Nicht doch, welch böswilliges Schicksal! Weiter: „Und jetzt haben wir auch noch Pech. Kimmich schlenzt auf 20 Metern an den linken Pfosten.“ Keine Ahnung, werd diese Leute sind, aber sie sind auf jeden Fall Opfer einer höheren antideutschen Macht. Es folgt mit der beste Satz überhaupt: „Wir brauchen ein Wunder. Es bahnt sich nicht gerade an. Vorne drin fehlt einer, der das Ding einfach mal reinmacht“ Jetzt auch noch ein Wunder; die bleiben auf jeden Fall bei diesem Topos vom Übernatürlichen, erstaunlich konsequent. Die zweite Aussage wirkt auf mich allerdings extrem trivial, aber ich verstehe halt nichts von Fußball, ihr wisst ja, Frauen und Technik! Doch es geschehen noch mehr ungerechte Vorgänge auf dem Spielfeld: „Es soll einfach nicht sein: Schöner Freistoß von Kroos, Höwedes schraubt sich hoch - doch wieder mal landet der Ball nicht im, sondern auf dem Tor.“ Diese Leute, wer auch immer sie sein mögen, machen doch alles richtig – und trotzdem landet dieser verflixte Ball nicht im Tor – Hexerei! „Die Verzweiflung macht sich breit. Geht das noch was? Wir haben die Hoffnung etwas verloren.“
Selten etwas so wohltuendes gelesen. Stelle mir die ganzen Deutschen vor, die sonst immer auf eine Weise Fußball kucken, als wären sie bereit, jederzeit für Deutschland loszumarschieren, und jetzt öffentlich verzweifeln, Public Grieving statt Public Viewing. „Die französischen Fans feiern jeden erfolgreichen Pass wie einen Sieg …“ schreibt da irgendwer in der 89. Minute sich noch einmal den Hass auf den Erbfeind und dessen Fußvolk vom Hals, denn sowas würden die deutschen Fans natürlich niemals tun. Dann gibt es noch 4 Minuten Verlängerung, in denen viel passieren kann, aber sicher nicht 2 Tore für Sch…land, das wissen auch diese Vollpfosten. Dennoch enormes Pathos in den letzten Einträgen: „92. Min.: Das ist alles nicht wahr!!! Mustafi flankt, Kimmich köpft Müller an, Lloris pariert überragend. Die Chance lebt weiter, doch Götze köpft knapp am langen Pfosten vorbei.“ Die Chance lebt weiter!!
Hach…
Da sie sonst wahrscheinlich nicht bezahlt werden, ziehen sie noch ein „Fazit: Verdient? Unverdient? Das ist am Ende egal, Deutschland verliert das Duell mit Frankreich […].“
Komisch, seit wann muss man sich denn Niederlagen verdienen? Naja meine Meinung dazu ist klar wie das Wasser am Strand von Famagusta. Das Beste kommt zum Schluss, allerdings mit Grillmöbel-Korrektur, denn da war was falsch: „Das soll es von dieser Stelle für heute gewesen sein. Wir wünschen Ihnen allen trotz nach dieser bitteren Niederlage noch einen schönen Abend.“ Hatte ich.
Ohne typisch Deutsches kommt so ein Deutschlandspielticker natürlich nicht aus. Grillmöbel zitiert:
„29. Min.: Deutschland hat die Spielkontrolle, hat mehr Ballbesitz, hat mehr Offensivaktionen. Das gefällt uns.“
„45. Min.+2: TOR für Frankreich! Griezmann bleibt cool und verwandelt ins linke Eck. Neuer entscheidet sich für die rechte Ecke.“
Und: „21:53 Uhr: Halbzeitfazit: Das gibt es einfach nicht! Deutschland hat das Spiel im Griff, hätte die Führung verdient.“
Mal sehen, wie viele Fußballereignisse es noch braucht, bis der Faschismus ausbricht.