grillmoebel
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20 May 2016
Obs ein Markt ist oder eine Kirche, es ist immer ein Markt (Brecht, irgendwo)

“Lächle und die Welt lächelt zurück”, steht auf einem Plakat, an dem ich vorbeikomme. Ich denke daran, wieviel ich gestern gelächelt habe und dass heute mein Baby 40 Grad Fieber hat. Naja, denke ich weiter, aus dem Spruch geht ja auch nicht wirklich hervor, ob die Welt nun mit einem mitfühlenden, herzlichen Lachen reagiert oder eben mit einem tückischen, schadenfrohen Grinsen. Das also als Unsinn abstempelnd, gerade gut genug dazu geeignet, einen Blogartikel einzuleiten, Unsinn wie auch zB “Tantra-Sex”, (ernsthaft, warum kaufen soundsoviele Millionen Leute ein Buch, in dem die Wörter für Geschlechtsorgane durch Unfug wie “Lingam” und “Yoni” ersetzt werden und von Chakren die Rede ist, als wäre das etwas, von die Rede sein kann, nein, ernsthaft?) gehe ich an Zäunen vorbei, endlosen Zäunen, Zäunen, so weit das Auge reicht: Maschendrahtzäune, Lattenzäune, Gitterzäune, NATO-Draht ausnahmsweise mal nicht, ist ja auch Wohngebiet, Zäune aus Holz, aus Metall, aus Stein, Zäune in verschiedenen Formen und Farben, doch nicht, dass diese ganzen Abgrenzungsmaßnahmen Ausdruck irgendeiner kreativen Qualität wären, ja überhaupt sein könnten, und alle haben einen. Ich überlege, was man alles aus diesen Zäunen machen könnte; mir fällt nicht wirklich etwas ein, ehe sich dann aber die Erkenntnis aufdrängt, dass eine Handvoll Asche aus verbrannten Holzzäunen immer noch mehr Wert hat für die Welt als jene jemals hatten; ja geradezu könnte ein ungefähr folgendermaßen lautendes Bonmot geprägt werden: “Nichts ist sinnlos, was vormals ein Zaun gewesen und jetzt keiner mehr”. Oder so.
“Wozu das Ganze?” sollte sich vielleicht einer fragen, der für irgendeine dümmliche Provinzzeitung in Springerhand angemessen dümmliche Kommentare verfasst, tut es aber nicht, daher mal wieder ich, also, wozu das Ganze?
Warum dieser ganze bürgerliche Lebensentwurf?
Ist es menschlich, isoliert inmitten von Isolierten zu leben?
Ist es schön, einander in solch isolierten Wohneinheiten zu besuchen, die kaum einem andern Zweck dienen, als sich den andern Isolierten vergleichbar bzw. konkurrenzfähig zu machen, in einem Wettbewerb, der keinen Grund noch Ziel hat?*
Ist es individuell, wenn zig Millionen Menschen kaum unterscheidbare oder garnicht unterscheidbare Varianten derselben Sache als ihr Lebenswerk deklarieren?
Ist es irgendetwas anderes als traurig, wenn alles, was ich jemals vom Leben wollte, sich in bedeutungslosen Vorlieben bei der Einrichtung meines Wohnzimmers ausdrückt?

Ich denke, ein Teil, weshalb das immer noch angesagt ist, liegt in dem kümmerlichen Rest an Respekt vor individuellen Bedürfnissen und Entscheidungen, der in der Pseudo-Narrenfreiheit des Eigenheims versteckt ist. Auf dem eigenen Grundstück ist manches Illegale legal wie Vergewaltigung unter Verheirateten es ist, sicher nicht die einzige Parallele, mit der Ehe und Grundbesitz aufbieten können. Jedenfalls kein Wunder, dass auch unter Progressiven gekauft wird, was das Zeug hält, bietet es doch die einzige Möglichkeit eines Schutzes des Lebensraumes vor dem Staat (der sich natürlich gleichsam darauf stürzt, alles, was damit auch nur im Entferntesten zu tun hat, mit Abermillionen von Vorschriften kaputt zu reglementieren, damit auch nur die richtigen Leute bauen/kaufen bzw. die Falschen es nicht tun). Denn Enteignung gibt’s ja nur bei den Kommunisten und ich glaube ganz ehrlich nicht, dass der über soviele Jahrzehnte fanatisch kultivierte Antikommunismus sich jemals innerhalb dieses Systems entschärfen können wird.
Bleibt die Frage, warum irgendwer so leben will und warum es die (wiederum) Millionen von Menschen tun, die seit Jahren oder Jahrzehnten daran kaputt gehen und sich von allem entfremdet haben, was menschlich war und ist. Tja. Auch in der mobil diesmal keine Antwort (die DB-Zeitschrift hat ein neues, hippes, Design - ich bezweifle, dass sie es noch einmal auf Grillmöbel schaffen wird) auf meine drängenden Fragen, nur Deutsche, die Bahn fahren und dann deshalb interviewed werden dürfen. Um (plötzlich) zurück zum Anfang zu kommen, also zu lahmen karmahaften Kalendersprüchen: Was mich angeht, finde ich die Westboro Baptist Church irgendwie als Teil dieser Welt angemessener als die Irren, die überall diese Plakate aufhängen. Pan Koth!




*Besuche finden natürlich mithilfe des kleinen Bruders der bürgerlichen Wohneinheit statt, der Karre

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