grillmoebel
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15 Sep 2015
keiner bezahlt irgendwas

2: das Maul aufmachen

Der Baulärm ist besiegt, sofern wir uns nicht im Auge des Hurrikans befinden. Damit kann der Bericht nun auch, endlich frei von Ablenkungen, tatsächlich losgehen. Worum geht es? Wie immer um alles und wie immer um nichts. Vor allem geht es darum, ein wirres Sammelsurium von Aufzeichnungen zu hinterlassen, die dem Wochenbett huldigen sollen (oder vielleicht noch viel länger).
Von wegen ablenkungsfrei, das Baby schreit nun schon seit 20 Minuten fast durchgehend. Viele gute Sachen lernt man dadurch und zwar nicht nur Babyskills wie Halsfalten säubern und Kackassistenz. Ein Baby ist eine einzige enorme Unklarheit. Regelmäßig aber kommt der Zeitpunkt, wo sich diese Unklarheit lichtet und ich verstehe, welcher Mimik welche Ursache zugrunde liegt. Genauso regelmäßig kommt der Zeitpunkt, wo die schnellen Entwicklungsschritte alles bisher gelernte obsolet machen und die mühsam erworbenen Skills von einem auf den anderen Tag völlig nutzlos sind. Das heißt, ein Baby ist Unklarheit und auch verkörperte Veränderung. Es ist außerdem völlig irrational, ausschließlich bedürfnisorientiert und in extremem Maße auf die Hilfe anderer angewiesen. Das ist großartig, denn ein Baby ist somit in Personalunion alles, was die Verwertungsgesellschaft nicht wünscht. Es macht daher erstmal Schluss mit jeder erdenklichen Selbsttäuschung, mit jedem Schein vor dem Sein, mit der Alltagsbigotterie. Pupsen gegen Prüderie, Schreien, wenn die Bedürfnisse nicht erfüllt sind, Hilfe einfordern, pausen- und schamlos, jedes geplante Tageselement durch zwanghaft spontanes Improvisieren ersetzen. Das Baby als Chance: Sich auf diese von Verwertungsgesellschaft und Turbokapitalismus geächteten Eigenschaften einzulassen, abnormales Verhalten wertzuschätzen, sich helfen zu lassen, wenn es nötig ist oder gut tut, auch mal tegalang nur zu essen, trinken, schlafen und kuscheln (vielleicht auch eine Windel tragen) und vor allem das Maul aufmachen, wenn dieser Zustand weggenommen wird. Es ist einfach nur traurig, zu sehen, was aus uns gemacht wird. Danke, Baby, für die Veranschaulichung.

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