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09 Feb 2015
Wo geht's denn hier zum nächsten Aquädukt?

Wo geht’s denn hier zum nächsten Aquädukt?

Vieles hätte sich in den letzten Tagen angeboten, also als Thema für diesen Eintrag, sei es die alte Debatte privates Glück vs. Gesamtgesellschaftlicher Kampf, die Übermacht des Nicht-Denkens, die Verkehrung von U r s a c h e und W i r k u n g (Wer diese Anspielung versteht, schicke mir eine Mail. Unter allen Einsendungen werden verlost: Eine Packung Zigaretten direkt vom Spielfeld, eine Ausgabe des fundamental-christlichen Blattes „parole et prière“ vom Mai 2011* und eine Handvoll Nazigold.), die Schwierigkeiten einer Burlesque-Performance oder was einem Freund von mir geschehen ist. Es geht um die Tatsache, dass dieser Freund, nennen wir ihn „der Mann hinter Grillmöbel“ in letzter Zeit oft merkte, dass er sich keinesfalls als „Mann“ wahrnimmt bzw. jemals wahrgenommen hat. Ich will jetzt kurz darüber schreiben, wie der Mann hinter Grillmöbel so darüber denkt. Für den Mann hinter Grillmöbel, ok, kürzen wir etwas ab: den Mann war das jetzt nicht so, dass er eine lange Suche nach sich selbst erleiden musste, es war nicht so, dass er jahrelang das Gefühl hatte, dass mit ihm etwas nicht stimme (zwar schon, aber eher in Bezug auf alles andere), es war auch nicht so, dass nun die Erkenntnis da ist und der Mann sein Geschlecht abgelegt hat, mal abgesehen davon, dass das nicht wirklich möglich ist. Eher hat der Mann es irgendwann unzutreffend gefunden, bei den zahlreichen Onlineumfragen, mit denen er seinen Lebensunterhalt verdient seine Freizeit verschwendet, immer „Mann“ oder „männlich“ anzukreuzen, wenn gefragt wurde: „Welchem Geschlecht ordnen sie sich zu?“. Deswegen hat er entweder „Sonstiges“ angekreuzt, so es möglich war, oder die Frage ignoriert. Der Mann hat vorher schon nicht wenig aus dem Bereich Gender Studies gelesen und hat sich entschieden, dass von niemandem verlangt werden kann, Judith Butler zu verstehen. Was verlangt werden kann und muss, und das auch im Sinne eines emanzipatorischen Anarchismus, ist, den Leuten selbst zu überlassen, wie sie sich wahrnehmen und wahrgenommen werden wollen – darüber diskutiert der Mann nicht (mehr). Eines Tages liest der Mann von den neuen Facebook-Geschlechtern, wo nun alles andere als binär gedacht wird, nämlich vermöge so vieler Kategorien, dass es noch nicht mal eine Ordinalzahl dafür gibt (zumindest nicht auf die Schnelle). Der Mann liest sich alle durch samt Erklärungen und überlegt, welcher der Kategorien er sich zuordnet. Irgendwas in ihm ist unzufrieden. Auch die Titanic geht auf das Thema ein und obwohl hier deutlich bessere Kategorien für den Mann geliefert werden („Ausgeburt“, „Bi-Fi“, „Cis-Dur“, „Pan-Flöte“, „H-MILK“), bleibt das Gefühl. Da er nun selbst hier nicht fündig wurde, ist für den Mann klar, wo das Problem liegt: Er fühlt sich nicht wie irgendeine der Kategorien. Er fühlt sich genauso wenig Cis wie Trans, genauso wenig Mann* wie Frau*, genauso wenig agender wie genderqueer. Eigentlich ist es ihm garnicht so wichtig, denn ihm ist das Geschlecht von Menschen einschließlich sich selbst eigentlich egal (eine Kategorie, die es bestimmt auch gibt, aber das ist nicht der Punkt). Vor allem aber will er nicht, dass von außen gesagt wird: „Es gibt A, B, C …. und Z – los, ordne dich zu!“, denn wer außer dem Mann selbst kann schon definieren, was er ist? Er könnte ja auch ein Faultier oder eine Lasagne sein wollen. Der Mann kann verstehen, dass manche Leute die Kategorien und Pronomen für ihren Kampf brauchen, will aber selbst nichts davon benutzen. Klar nervt es ihn punktuell auch, wenn männliche Dinge von ihm erwartet werden wie Heterosexualität oder Skrupellosigkeit, aber er sieht nicht, dass er mithilfe von Pronomen/Transdiskussionen/lustigen „x“s in Wörtern die zugrunde liegenden Strukturen von Patriarchat etc. überwinden kann. „Dann doch eher mit einem Reichstagsbrand!“, lacht der Mann. Dass anderswo von irgendwelchen genderstudies-Meinungskartellen geredet wird, kann der Mann angesichts der offensichtlichen Verkehrung von Opfer und Täter (S.o. Wie soll das denn gehen, dass ich darunter leide, wenn andere Leute sich so sehen, wie sie wollen, auch wenn es bigender ist? Das ist ungefähr so, als würde ich mich immer persönlich gekränkt fühlen, wenn jemand Horst heißt. Was für ein Käse.) im Grunde nur lustig finden. Der Mann diagnostiziert in sowas ganz andere Dinge hinein, aber hier geht es ja um den Mann selbst und der hat aus alledem erkannt, dass er (weiterhin) versucht, zu tun, was er möchte und vielleicht hier und da mal statt „Mann“ oder „Frau“ „Cis-Dur“ hinschreibt.


*Obacht! Preis existiert tatsächlich!

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