06 Jan 2019
über einen Monat ohne Post, ach du liebe Zeit (2)
Man muss Larry Taylor, ob Absicht oder nicht, dankbar sein. Und Waits/Brennan, die ich mal eben so souverän einstufe, dass sie sich nicht von irgendeinem Label- oder Studio-Fatzken was reinreden lassen, dafür, dass sie nicht nach einer neuen Aufnahme keiften. Dass sie verstanden, dass diese Aufnahme die eine war. Der Bruch, der nicht mit Methode eingesetzt wird, sondern aus der spontanen Situation heraus. Denn natürlich ist die Gefahr da. So wie Punk mal irgendwann aus dem Moment geboren wurde, und man heute dennoch weiß, was zu tun ist, wenn man Punk produzieren will. So kann ein jedes Stilmittel, ob bewusst oder unbewusst eingesetzt, zur Norm, zur Methode, zur Übung gerinnen. Nichts ist davor sicher.
Bei Tom Waits ist das nie passiert, und das wurde ihm übelgenommen. Die Review-Artisten müssen sich unheimlich geärgert haben, als Waits/Brennan nach dem “typischen” Mule Variations 4 Jahre später mit der Büchner-Adaption Blood Money daherkamen, eine Platte, die, wenn ersteres nach Americana und Blues klingt, dem mit deutscher Militärpräzision einen Deckel verpasst. Da kann man dann schlecht so etwas dümmliches schreiben wie “Fans kommen auf ihre Kosten”. Eher “Der Meister des Vaudeville unserer Zeit rumort schrecklich” oder so.
Die Kränkung, nicht mit Berechenbarem oder Berechnetem konfrontiert zu werden. Man weiß ja irgendwann, was man kriegt. Zahllose Bands haben es vorgemacht. Zurücklehnen – Musik hören. Nicht mit Waits/Brennan. Nach dem Ausflug ins deutsche Theater geht es zurück in die mittlerweile mal wieder kriegführenden USA und das Komponierduo zeigt den überforderten Fans mithilfe von mittelmäßigem Beatboxing, dass man sich jetzt jenseits der durch 9/11 errichteten Zäsur befindet. Allerdings etwas spät, 2004. Oder aber genau zur richtigen Zeit.
Bewundernswert, dieses Ernstnehmen des eigenen künstlerischen Ausdrucks. Waits/Brennan haben sich einen Rahmen erarbeitet, in dem sie dann etwas Neues kreieren, wenn sie wollen, nicht früher, nicht später. Das mag banal klingen, aber wenige ziehen das so konsequent durch. Auch die Tourplanung: Jahrelange Durststrecken, dann nur wenige Auftritte, dafür viel Aufwand, eine große Show, aber weniger für die Fans als Veräußerung des Inneren, denke ich.
Vor Jahren lag mir nichts mehr am Herzen als Tom Waits live zu erleben und auch wenn ich es heute wohl nicht ablehnen würde, bin ich sicher, auch ohne diese Gelegenheit mehr Erfüllung im Werk dieser beiden Menschen gefunden zu haben als die meisten anderen.