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01 Aug 2018
Gedanken zur Extremwetterlage (August 2018)

Hier nun also die Wetterpolemik, die niemand sonst abdrucken wollte. Viel Spaß!

Dürre? Hitzewelle? Klimaerwärmung? Unfug. Eine traumhafte Zeit ist für die Deutschen angebrochen und macht keine Anstalten, je wieder aufzuhören. Die tausendjährige Extremwetterlage deckt hierbei alle Bedürfnisse ab: Zunächst ist sie erquicklich und sobald sie es nicht mehr ist, macht Gott ein Fenster für den schwitzenden Deutschen auf, dem nichts ein größeres Anliegen ist als über das Wetter zu schimpfen oder mindestens zu reden. Denn wer über das Wetter redet, redet - ein Traum! - nicht über die “Vergangenheit”, nicht über Ertränkte im Mittelmeer, nicht über die eigene Gemütswetterlage. Sondern darüber, dass es heute schon wieder heiß und trocken ist, obwohl es gestern schon heiß und trocken war.
Wer Glück oder alles richtig gemacht hat, zieht sich bei jener Sommerhitze ohnehin in das fein säuberlich abgesteckte und eingerichtete Gartenhaus in Waldlage zurück und brilliert in der Ausübung deutscher Bürgerlichkeit: Eine Triade von Rasensprenger, Liegestuhl (wahlweise Strandkorb) und Sichtschutz stellt das Fundament für das perfekte deutsche Sommererlebnis, das gepflegte Bier in der Runde - rundet es ab.
Und worüber könnte geredet werden in so einem Szenario? Doch nur wieder und wieder übers Wetter. Dass es seit Wochen gleich bleibt. Dass es zur Tageszeit X bereits Y Grad im Schatten war. Dass das Wetter früher anders war.
Doch wer derart mit Fakten um sich wirft, braucht eine gute Quelle. Welche? Zum Beispiel den Berliner tagesspiegel: „Der Juli 2018 wird voraussichtlich der fünftwärmste Juli seit Beginn der Messungen - nach 2006, 1994, 1983 und 2010. Außerdem wird er vermutlich nach 2006 der zweitsonnigste seit 1951. Die Sonne schien im Schnitt schon mehr als 300 Stunden, das Soll beträgt 212 Stunden.”
Ich wiederhole: “Das Soll beträgt 212 Stunden.”
Dass die Sonne öfter scheint als sie soll, und das in Deutschland, das ist das eigentlich ungebührliche an dieser Extremwetterlage.
Oder auch “wetteronline”: Unter der Überschrift: “Hitze schlägt auf den Kreislauf” wird in einem Dreizeiler darauf hingewiesen, dass, um es mal zu paraphrasieren, die Hitze auf den Kreislauf schlägt. Ein Sachverhalt, der sich für den bürgerlichen Kontakt hervorragend eignet. Dazu ein reißerisches Bild von irgendwelchen stilisierten Blutlaufbahnen und dem Slogan “Der Kreislauf spielt verrückt”. Was insofern lustig ist, als dass ja in Wirklichkeit das Wetter verrückt spielt und der Kreislauf eigentlich ganz und gar normal und angemessen auf jenes Verrücktspielen reagiert.
Wir merken uns den Umkehrschluss: Wenn der Kreislauf verrückt spielt, ist mit dem Wetter alles in Ordnung.
In den meisten Zeitungen geschieht ähnliches; die binsigsten aller Weisheiten werden immer wieder an den Tag geholt: dass alte Leute bei großer Hitze gerne sterben (wieder ein Vorteil der Hitze), dass man sich eincremen soll und 3-6 Liter Wasser pro Tag kippen, je nach Zeitung. Und zwar am besten vom Konzern in Flaschen abgefülltes, denn dann kann sich “der Getränkehandel freuen” (Bild). Überhaupt: Es gibt, wie bei allem, Gewinner und Verlierer. Keine Ernte dieses Jahr, aber dafür mehr Touristen an den Stränden. Wälder brennen, aber die Gastronomie boomt. Die Flüsse führen nicht genug Wasser, aber Hersteller von Speiseeis vermelden Rekordverkäufe. Und das Beste ist: Das Eis, so wurde der BILD-Zeitung “versprochen”, was immer das heißt, wird nicht ausgehen! Puh, da fällt einem ja ein Stein vom Herzen. Wenn in ein paar Jahren nichts mehr zu ernten ist, wird da immer noch das tägliche Speiseeis sein, das uns mit allem nötigen versorgt. Und Eis mögen doch einfach alle.
“Bei den Menschen macht die Hitzewelle Frauen eher zu schaffen als Männern.”, hat man außerdem herausgefunden. Und zwar durch eine Umfrage. “54 Prozent der Frauen sagten, ihnen gehe es derzeit schlechter als an normalen Sommertagen. Bei den Männern sprachen 36 Prozent von einem schlechteren Befinden.” Man kann sich wirklich vorstellen, wie erleichtert die ganzen Männer waren, dass sie endlich in der Öffentlichkeit ihre Wettersensibilität bekennen dürfen. Doch das Wichtigste kommt erst noch: “7 Prozent fühlen sich sogar besser.” Na was beschweren sich denn dann diese 40% die ganze Zeit.
Für die Medien ist der Fall klar: Wo es Verlierer gibt, gibt es auch Gewinner, und somit ist wiederum alles in Ordnung. Stimmt ja auch. Der Holocaust zB war für viele auch sehr gut (Deutsche vor, während und nach ‘45). Und wenn es bei einer Sache Gewinner und Verlierer gibt, macht das die Sache selbst automatisch neutral und auf keinen Fall gefährlich. Denn solange es noch Leute gibt, die profitieren, kann es mit der Apokalypse ja wohl nicht weit her sein.
“Europa ächzt unter der Hitze”, weiß auch die Welt, wo es immerhin ein Europa gibt, das gemeinsam ächzen darf, hört, hört. Was man tun kann, verschwindet indes hinter der Bezahlschranke.
Also weiter: Die deutschen Medien liefern also, zusammengefasst, die komplette Ideologie zum Thema Extremwetterlage gleich mit. Und tun dem deutschen Leser dann noch einen Extragefallen, indem sie seiner Quantifizierungsneurose ein Panoptikum von Zahlen und Rankings und Zahlen und Rankings und Zahlen und Rankings zur Verfügung stellt, von dem sich vor der Klimaerwärmung nur hätte (feucht) träumen lassen. Der fünftheißeste Juli, das drittheißeste Jahr, das sonnenreichste Quartal, welche Rekordmeldung auch immer man aus irgendwelchen bekloppten Gründen braucht, die Kommentatoren der Hitzewelle liefern sie einem ungefragt und pausenlos, und das immer “seit Beginn der Aufzeichnungen”. Ich bin sicher, dass, wenn ich eines Tages sterbe, diese Wortfolge diejenige sein wird, die ich am meisten gelesen und gehört habe in meinem egal wie langen Leben. Dafür schonmal ergebensten Dank an die Zeitungen.
Im fränkischen Kitzingen hingegen wurde 2015 eine Temperatur von 40,3 Grad gemessen, vermeldet wiederum der tagesspiegel und vergisst nicht seinen Bildungsauftrag, der da wäre das Bilden deutschnationaler Identität, indem er nachschiebt: “Die Stadt am Main mit etwa 21 000 Einwohnern hält den Rekord als heißeste Stadt Deutschlands.” An welchem Fluss die Stadt, wenn es so weiter geht, irgendwann nicht mehr liegen wird bzw wieviele Leute es dort aushalten, ist für die vorgebliche Meldung zwar irrelevant, nicht aber für die eigentliche, die da lautet: Kennst du eigentlich unser schönes Deutschland gut genug, Kamerad? Darüber hinaus ist 2015 nicht 2018 und somit die aktuelle Rekordhitzewelle völlig harmlos, bringt sie doch nicht einmal die höchste je gemessene Einzeltemperatur mit. Der tagesspiegel treibt dieses Spiel auf die Spitze: “Jahrhundertsommer 1904 - es ist nicht zum ersten Mal heiß in Berlin” - lässt ein aktueller Artikel alle Klimawandelleugner jubilieren. Man muss den Artikel dazu nicht lesen, um wiederum zu verstehen, dass mit etwas, das es genauso schon vor über 100 Jahren gab, nur alles in Ordnung sein kann.
Deutschland, Platz an der Sonne.

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