grillmoebel
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04 Jul 2018
Pardauz

“This is trainspotting gold”, dachte X aus irgendeinem Grund auf Englisch, als X mal wieder in der großen Stadt war. Sogleich fragte sich auch X, wieso X der Gedanke auf englisch gekommen war, und gelangte zu dem Schluss, dass manchmal eine Sprache einen Sachverhalt schöner beschreiben kann als die Muttersprache, und da X nunmal nur jene und diese fließend zu sprechen imstande war, konnte es X ja wohl kaum auf serbokroatisch oder navajo einfallen. Zumal trainspotting unter Umständen auch nicht überall ein Phänomen war. Sofort fielen X noch andere Ausdrücke der Kategorie “klingt besser auf englisch” ein, zB “Fair enough” oder “I will do no such thing”, obwohl, so korrigierte sich X instantly, “ich werde nichts dergleichen tun” als Entsprechung zum Letzteren garnicht mal so verkehrt war. Runter von der Metaebene wiederholte X den Gedanken: “This is trainspotting gold”. Und hier war es ein Phänomen, das wusste X, sich immer selbst gerne beschreibend als “30% trainspotter / 70% Bollwerk gegen den Zeitgeist”, von diversen Besuchen auf Foren, die sich mit dem Thema auseinandersetzten.
Was war geschehen? Eine S-Bahn-Strecke war neu gebaut worden und zwar dergestalt, dass sie vor dem Riesenumsteigebahnhof, auf dem X stand, einfach ohne Halt abbog. Und genau das passierte jetzt in dem Moment, als eine S-Bahn von ebenjenem Riesenumsteigebahnhof, auf dem X immer noch stand, in dieselbe Richtung losfuhr, so dass den Zuschauenden der Eindruck kommen musste, eine S-Bahn drängele sich geradezu vor die andere. X musste natürlich davon ausgehen, dass die Verantwortlichen eine Lösung für die Situation parat hatten. Doch wie würde diese aussehen? Wer würde halten müssen? Welcher Ablauf würde welchem Ablauf geopfert werden? Genau diese Unklarheiten, das wusste X, machten das, was X beobachtete, zu trainspotting gold. Xens belanglose Gedanken wurden jäh unterbrochen, als ein Screen plötzlich News aus der Sparte “Politik” verhieß. X versuchte noch, dieser Belästigung zu entkommen, aber der ganze Riesenumsteigebahnhof war voll mit diesen Screens, dass sie einen nicht noch mit Robobeinen verfolgen, ist alles, dachte X, doch genau während dieses kleinen unachtsamen Gedankens blitzte in Xens Augenwinkel das Wort “Seehofer” auf, so ein Unsinn, das war ja gar kein Wort, aber auch irgendwie sonst nichts, und damit war der Kampf verloren, X war Opfer des Infotainment-Angriffs geworden. Dabei wollte X nichts von Seehofer wissen, seine Fresse nicht sehen und überhaupt wünschte X ihm stets nur das Ärgste und Übelste, ebenso wie dem Dauergimpel Spahn und den anderen Verbrechern beiderlei Geschlechts im dunkeldeutschen Kabinett des Schreckens. Doch es wäre nicht Infotainment gewesen, wäre nicht, wiederum, instantly das politische Tagesgeschehen von Werbung abgelöst worden: “Appetite For Destruction remastered - die Deluxe-Box der Kult-Combo Guns’n’Roses!”, las X und freute sich, den Gedanken freien Lauf lassen zu können. Wieso remastered?, dachte X selig weil seehoferbefreit, hörte sich doch gut an beim ersten Mal. Es war wohl mal wieder Zeit zum Melken. Bei dieser schlechten Überleitung fiel X endlich ein, wohin X eigentlich unterwegs war, nämlich zum Kind; wir kennen es ja bereits aus anderen Geschichten des X-Franchises. X wollte das mediokre Liederbuch auf lichte Momente untersuchen. Wenige Minuten Zugfahrt ohne besondere Trainspotting-Ereignisse später (Einmal fuhren 2 S-Bahnen parallel nebeneinander her, doch das passierte, wenn auch im Allgemeinen selten, zu dieser Uhrzeit fast täglich und konnte damit X nicht beeindrucken) war X beim Kind angekommen und singbereit.
Das Kind begrüßte X, indem es sang: “eee-jooo, spann den Wagen an … (Pause) … hol die schwarzen Garben, hol die schwarzen Garben!”
Nach anfänglicher Überraschung, aber auch Freude über die Qualität der Songauswahl (X liebte Kanons Kana Kanonen, zB “der Papst ist tot, cocodi, cocoda”), kam X nicht umhin zu verbessern: “die goldnen, die goldnen!”.
Als das Kind sich die Korrektur zu Herzen genommen hatte und nunmehr sang: “Hol die schwarzen goldnen, hol die schwarzen goldnen!”, verstand X irgendwas mit Schwarz-Rot-Gold und beschloss, sich erstmal hinzulegen. Und so endete (für X) der Geburtstag von Seehofer. Der immerhin also dem Tod auch wieder einen Schritt näher ist.

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