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18 Jun 2017
Ich verwende Aronal und Elmex, wie es mir gerade in den Kram passt

Achtung, Achtung! Neuigkeiten im Show-Business! Bitte lesen Sie den folgenden Artikel zum besseren Verständnis!


Beth Ditto hatte ein schwere Krankheit
Die Sängerin ist nach außen hin immer die starke Power-Frau.
Doch sie hatte eine schwere Krankheit.
„Ohne meine Schwester hätte ich es nicht geschafft.“ (BZ, 17-06-2017)


Ich war mal wieder für ein Wochenende in Berlin, diesmal um U-Bahn zu fahren, denn die gibt es ja in Berlinchen, wo ich bekanntlich lebe, nicht; schlechte Umgebung für bekennende Trainspotter wie mich. Jedenfalls sind in den Berliner U-Bahnen, wohl damit man nicht dazu kommt, eine ruhige Minute zu haben und vielleicht nachzusinnen über das ganze Elend, kleine Bildschirme angebracht, die Infotainment (heißt tatsächlich so) liefern, also „Nachrichten“, Werbung und Identitätsstiftendes aus der Popkultur. Die Nachrichten im U-Bahn-Fernsehen sind dabei nun ein Paradebeispiel für das Falsche, in dem wir leben; per se ist es ja schon mehr als absurd, Nachrichten in etwa 25 Wörtern zu formulieren, und wenn die BZ (zB) bereits in den vollständigen Artikeln ein Unmaß an Verküztheit an den Tag legt, wird das in diesem Format erwartungsgemäß nicht besser. Heute titelte es: „Beth Ditto hatte ein schwere Krankheit.“ Eigentlich interessant, denn News sind das ja offensichtlich nicht („hatte“), zumindest nicht für Beth Ditto. Und ja, auch Prominente können schwere Krankheiten haben, was anscheinend immer wieder sensationell ist. Weiter (bitte nicht haarspalten, es ist aus dem Gedächtnis): „Die Sängerin ist nach außen hin immer die starke Power-Frau.“ So weit, so selbstverständlich. Dieser Satz ist eigentlich überflüssig, denn die Art, wie er formuliert ist, impliziert, dass wir alle das bereits wissen. Es geht aber noch weiter: „Doch (sic!) sie hatte eine schwere Krankheit.“ Nun, das wissen wir ja bereits aus dem Titel, es sind also erneut – keine News. Und Informationen doppelt zu geben bei einem Raum von 25 Wörtern ist auch eine interessante Vorgehensweise, zumal ja dann doch recht offen bleibt, welche Krankheit zum Henker die „XXL-Sängerin“ (BZ) denn hatte. Inhaltlich betrachtet muss man wohl das völlig kaputte Mindset einer BZ-Journalistin haben, um einen Widerspruch („Doch“) darin zu sehen, dass eine Person, die einmal eine schwere Krankheit hatte, auch eine Power-Frau sein kann. Und überhaupt - wirkt der Satz „ Die Sängerin ist nach außen hin immer die starke Power-Frau“ nicht fast wie ein Vorwurf? Wieso spielt sie allen etwas vor („nach außen hin“)? Und wie kann sie denn stark und eine Power-Frau sein, wo sie doch krank war? Was, und dick ist sie auch noch?
Stimmt, denn das ist die andere Seite der Medaille: Wer dick ist, muss nämlich andererseits geradezu Powerfrau sein, denn zur Rolle der objektivierbaren Sex-Puppe, die die BZ am liebsten hat, reicht wahrscheinlich ungefähr ein BMI von 16 und weniger, und mehrere Rollen gleichzeitig anzunehmen, zB dick und attraktiv, das wär dann doch zuviel menschlicher Facettenreichtum für die BZ, die die mediale Folie dafür ist, dass den Dicken, Kleinen und Hässlichen nur noch übrig bleibt, lustig zu sein (siehe alle deutschen Comedians). Doch der Text geht noch weiter, und zwar mit einem Zitat: „Ohne meine Schwester hätte ich es nicht geschafft“. Was? Halt, Stop! Worum geht es hier überhaupt? Wir wissen nicht, welche Krankheit Beth Ditto nun hatte, nur, dass sie eine Power-Frau ist (das wussten wir aber schon, denn sie ist es ja „immer“ und „nach außen“, also ausnahmslos und gleichsam an uns adressiert), und jetzt kommt da irgendwas mit ihrer Schwester? Es könnte alles, ja alles, bedeuten, die Schwester könnte moralischer Beistand innerhalb der Familie Ditto oder eine Art Nonnenmäzen gewesen sein, woher sollen wir irgendetwas auch nur erahnen können? Die 25 Worte sind nun gesprochen und die BZ entlässt uns in extrem unbefriedigter Unklarheit darüber, was zum Geier denn jetzt eigentlich die Meldung ist, so unbefriedigt, dass wir nachrecherchieren und eine Analyse verfassen müssen.


Doch bevor ich die Ergebnisse der Recherche verkünde, möchte ich noch einmal klarstellen, dass obiger Text:

Beth Ditto hatte ein schwere Krankheit
Die Sängerin ist nach außen hin immer die starke Power-Frau.
Doch sie hatte eine schwere Krankheit.
„Ohne meine Schwester hätte ich es nicht geschafft.“

und dieser hier:

Beth Ditto hatte ein schwere Krankheit.
„Ohne meine Schwester hätte ich es nicht geschafft.“

den gleichen Informations- und Sinngehalt haben.
Müssen wir also kürzere U-Bahn-Nachrichten einfordern?

Nein, denn die Recherche ergab, was Sinn und Zweck dieses Unfugs ist, nämlich dass Leute so verwirrt und mit Informationen unterversorgt sind, dass sie auf BZ-Online geradezu nachlesen müssen, was denn dahinter steckt. Man stößt dann auf ein Interview von der oben erwähnten BZ-Journalistin (die mit dem völlig kaputten Mindset), Ilka Peemöller (kein Witz), welches ergibt: BD hatte eine Kindheit in relativer Armut und als junge Frau Todesfälle naher Anverwandter und eine Sarkoidose (Dr.House-Fans kennen sie) zu erleiden. Das Interview ist nicht uninteressant. Es beinhaltet – wenn man bereit ist, es zu sehen – krasse Klassenunterschiede, die beklemmende Realität bürgerlichen Lebens, Abwendung von Religion etc. Die BZ dagegen hält sich an das Narrativ: BD wächst in Armut auf, schafft mit Musik den Durchbruch, hat jetzt keine Sorgen mehr - klar getrennt sind Vergangenheit (schlecht) und Gegenwart (gut). Dass diese Form sozialer Mobilität niemandem etwas bringt außer den lächerlich wenigen Handvoll von Menschen, denen sie durch höchst unwahrscheinliche Zufälle gelingt, schafft Ilka Peemöller zu ignorieren, wie sie es gelernt hat.
Doch zurück zur ursprünglichen Kritik. Was also müsste wahrheitsgetreu im U-Bahn-Fernsehen zu lesen sein? Doch etwa so was:


Interview mit Beth Ditto
Die BZ sprach mit der Sängerin der bekannten Postpunk-Band Gossip. Lesen Sie auf unserer Website ein interessantes Gespräch über Armut, Krankheit und glückliche Zufälle.


Auch 25 Wörter. Stattdessen dieser Humbug mit der Krankheit bereits im Titel, die übrigens im Interview gerade mal in einem kurzen Nebensatz vorkommt und das mit der Schwester, das als Informationen nur taugte, hätte man das Interview bereits gelesen.

Naja. Immerhin Gratulation an die BZ dafür, dass ich mich fast eine Stunde lang mit diesem Müll auseinandergesetzt habe – was ich natürlich nur für eine Power-Frau wie Beth Ditto zu tun bereit bin. Aber ohne meine Schwester hätte ich es nicht geschafft.

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