31 Jul 2016
Die Büste der Nosferatu
Nachdem ich ja, wie bereits erwähnt, immer öfter den Typen treffe, dem alles egal ist, ist mittlerweile eine neue Figur im Landschaftsbild aufgetaucht, nämlich der Typ, dem alles egal ist, der aber gleichzeitig nach außen zeigt, dass er intelligent genug ist, es besser zu wissen. Der Typ, dem alles egal ist, der aber gleichzeitig nach außen zeigt, dass er intelligent genug ist, es besser zu wissen, macht sich in den Städten und urbanen Zentren breit. Er ist (natürlich) jung und hat einen Style, den er ungefragt in seine Umgebung hineinstrahlt. Umgeben von einem Kabinett aus Laptops, Smartphones und Tablets erschließt er ein Ladengeschäft nach dem anderen als Co-Working Space. Der Typ, dem alles egal ist, der aber gleichzeitig nach außen zeigt, dass er intelligent genug ist, es besser zu wissen, braucht nämlich space, um sein Start-Up zu planen, denn er weiß, dass es jeder schaffen kann in Zeiten wie diesen, der nur eine gute Idee hat. Dass jeder wie seines Glückes so vor allem auch seines Unglückes Schmied ist, hat er verinnerlicht wie kein anderer, er glaubt an Marktlücken und Nischen und Innovation und creative workspaces, verbindet Arbeit mit Wohlfühlkonsum, um zu vergessen, dass es Arbeit ist: er ist zum einfachen Arbeiter wie der Foodtruck zur Imbissbude. Leben ist ganz einfach, scheint er den Passanten mitteilen zu wollen, wenn man nur ein wenig clever, originell und dreist ist, wie eben er selbst. Er ist niemals in Schwierigkeiten, es sei denn in kalkulierten. Wenn er einmal nicht damit beschäftigt ist, sich selbst und sein Start-Up zu vermarkten (damit es irgendwann genug Wert hat, um von einem Riesenkonzern geschluckt zu werden, natürlich für eine entsprechende Summe; er arbeitet nicht, indem er verkauft, sondern arbeitet darauf hin, irgendwann verkäuflich zu sein; er kapituliert damit vor dem Kapitalismus wie kein anderer), erlebt er seinen Ausgleich im Erlebnistourismus, wo er gerne mal die Wildsau rauslässt, die an den Werktagen zahm buckelt (aber mit Style), lebt das Leben, wie es die Medien definieren, wenn sie ihn mal nicht zu seinem Start-Up interviewen. Oder er spielt Pokémon Go in Dachau. Der Typ, dem alles egal ist, der aber gleichzeitig nach außen zeigt, dass er intelligent genug ist, es besser zu wissen, weiß, dass eigentlich alles falsch läuft und weiß, dass die einzige Chance, seinen Style nicht aufgeben zu müssen, darin liegt, Eigeninitiative durch Totalunterwerfung zu zeigen, dabei cool auszusehen und später von den Zinsen zu leben. Wenn ich ihn das nächste Mal sehe, zünde ich seinen Bart an.