27 Jul 2014
Wostok, bloody wostok
Dass das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist, war zu Zeiten, in denen ich alleine war und es aber nicht sein wollte, durchweg ein guter Trost. Zu wissen, dass es immer etwas gibt, was schlimmer ist als unfreiwillige Einsamkeit, als nicht begährt begoren baghira begehrt zu werden oder sich zumindest so vorzukommen.
Und dass das Bier wirklich mal alle ist, scheint undenkbar.
Pogoanarchistischer Hedonismus, der in der Aussage ausgerechnet mit der Konsumfreiheit des Kapitalismus korreliert? Naja egal.
Eigentlich klar: „Das Schlimmste“ teilt sich wie jede solche Kategorie immer auf in das übergeordnete Übel und das private Leiden, was keineswegs irgendwas mit subjektiv und objektiv zu tun hat. So gibt es für diejenigen Menschen, die merken, dass es sich hierbei nicht um die bestmögliche aller Welten handelt (so ein Blödsinn, Leibniz ist offenbar noch am ehesten in Keksform ernstzunehmen), viele Kandidaten, also was das Schlimmste angeht: organisierte Religion, Nazis, Kapitalismus, Parteien, Waffenlobbyismus, Scheinheiligkeit und Bigotterie als Methode, Politiktheater, aber auch graue Fassaden, Lohnarbeitszwang, Gartenzäune, Kaffee und Kuchen. Tja.
Atomkraft, Kraftprotz, Protzkultur, Kulturrassismus, Rassismusleugnung, das neueste David Hasselhoff-Video. Alles mögliche lädt zu Superlativen ein.
Als überzeugter Nutzer einer solchen Ausdrucksweise („Das war das nervigste, was ich jemals erlebt habe“, ca. 1x pro Woche; „Das war das Beste, was ich jemals gegessen habe“, mehrmals täglich) sage öfter mal: „Gibt’s irgendwas Schlimmeres als Arbeit/zu kleine Essensportionen/Minimal House?“ Ein Freund hat zeitweise regelmäßig geantwortet: „Der Holocaust.“, was ganz gut das Verhältnis der beiden oben genannten Ebenen charakterisiert.
Ein anderer Freund machte mich neulich auf eine theoretische Strömung aufmerksam, die noch viel weiter geht, indem sie sagt, dass der Holocaust nur deshalb als Genozid anerkannt und teilverarbeitet ist, weil die Täter „sowas“ erstmals an Weißen und auf europäischem Boden verübt haben.
Ist also der Kolonialismus das Schlimmste bzw. die zugrunde liegenden Strukturen von Hegemonien und Sozialdarwinismus? Offensichtlich. Damit wäre es für den politischen Bereich geklärt. Im Privaten wechselt das gerne mal. Aktuell bei mir das Schlimmste: Wenn irgendwelche Volldeppen mittels grölend vorgetragenen Männerhumors auf der einen und aufrechte Deutsche mittels Dauerbeschallung (Böhse Onkelz, Freiwild und dergleichen) auf der anderen Seite verhindern, dass ich schlafe.
Schlimmer geht’s nun wirklich nicht.