14 Jun 2014
Das ist kein Post zur Weltmeisterschaft im Fußball.
Zur Zeit treff’ ich immer öfter den Typen, dem alles egal ist. Der ist grade so alt, dass er, wie ich mal im Kino gehört habe, sozusagen am Gipfel seiner physischen Schönheit steht. Vielleicht deshalb (?) betrachtet er meistens seine Tätowierungen, die, was ihre Form betrifft, perfekt auf den Schnitt seiner Muskelshirts abgestimmt sind. Er scheint ständig draußen unterwegs zu sein, wohl um sich zu zeigen. Zwanghafte Lässigkeit offenbar im genetischen Code festgelegt, weiß er, was er zu tun hat (In einem europäischen Industrieland geboren werden, irgendein Bildungsweg, irgendein Abschluss, irgendeine Arbeit, dazwischen immer schön promiskuitiv durch die Szene ziehen, denn Spaß soll’s ja machen, das alles, dann aber sich festlegen, natürlich mittels Frau, Familie, denn es gibt eine Zeit für alles, z.B. für Sterben, die Tattoos nehmen sich die Aaskäfer als letztes vor, übrig bleiben sie dennoch nicht, so geht das nicht mit dem ewigen Ruhm) und neigt dazu, das jedem zu erzählen, der nicht fragt. Erwartungsgemäß (da ihm ja alles egal ist) hat er eine binäre Auffassung von Geschlechtern und verhält sich in den entsprechenden Situationen balzend, wie er es gelernt hat. Er schart sich aber vor allem um sich selbst, zelebriert so redundant sein Leben und neigt dabei zum Grölen. An einigen Tagen im Jahr sehe ich ihn vielfach, so kurz vor Neujahr oder am 40. Tag nach Ostern. Einmal hat er gegenüber von mir in der S-Bahn gesessen und zu seiner Freundin gesagt, dass er der Obdachlosen natürlich nichts gibt, weil sie ja selbst schuld ist und doch einfach arbeiten gehen soll. Der Typ, dem alles egal ist, benutzt nämlich oft Wörter wie „ja“ oder „einfach“, was ja auch einfach logisch ist. Das Bestehende sieht er als das Beste an, vielleicht weil er nicht weit genug liest, aber wahrscheinlich, weil er für das meiste davon verantwortlich ist. Zur Zeit treff’ ich ihn jedenfalls immer öfter, wie gesagt, und neulich dachte ich morgens kurz, ich hätte ihn im Spiegel gesehen. Beim zweiten Hinschauen war er weg, so er jemals da war, dennoch fand ich das sehr gruselig und hab deswegen aufgehört, diesen Blogeintrag zu schreiben.